Neuffers 34er Karmann Cabrio

Pazifikblaues Wunder

Quitschend rollt das Hallentor beiseite. Das Licht schneidet durch den Staub in den Raum und macht schemenhaft sichtbar, was die Dunkelheit lange verborgen hatte. Matt glänzen Chrom und Lack unter einer in Jahren erworbenen Dreckschicht, und doch erkennt man das Wunder sofort: Ein Karmann Ghia Typ 34 Cabrio wartet dort Dornröschen gleich auf den rettenden Kuss. Da lässt man sich doch nicht lange bitten...

Das Gerücht hielt sich lange und hartnäckig: Ein Typ 34 Cabrio sollte irgendwo im süddeutschen Raum aufgetaucht sein. Bei der Auflösung eines alten Volkswagen-Vertragshändlers wurde das gute Stück dann tatsächlich versteigert. Angeblich soll auch das VW-Museum mitgeboten haben. Den Zuschlag erhielt allerdings Lars Neuffer aus Göttingen. Der kompetente Mann in Sachen Karmann ist in der Szene kein Unbekannter, bietet er doch seit Jahren vom Komplettfahrzeug bis hin zu Reparaturblechen alles an, was irgendwie mit dem Karmann Typ 14 (und auch 34) zusammenhängt. Im Laufe der Zeit hat er so manche Information über den raren Edelboxer zusammengetragen. Ihm sind sieben Exemplare bekannt (ein achtes soll gerüchteweise durch Württemberg geistern). Sie sind in verschiedenen Zuständen von perfekt bis restaurationsbedürftig anzutreffen. In dem Buch über die Karmann Fahrzeugsammlung steht, dass die Osnabrücker Karosserieschmiede das Cabrio bis alle Einzelheiten durchdacht hatte. Das kann Neuffer nur bestätigen. Tatsächlich gibt es sogar Ersatzteilkataloge, die selbst das Verdeck in allen Details zeigen. Auch Farbtafeln und Verkaufsprospekte vom Cabrio wurden gedruckt. Aber ebenso wie beim serienreifen Typ-3-Cabrio (siehe der Große Volkswagen Heft 4/1996) kam es nicht zur Produktion. Deutlichstes Merkmal der originalen 34er Cabrios sind die abgerundeten Seitenscheiben. Nachbauten weisen dieses Detail nicht auf.

Das blaue Wunder auf diesen Seiten ist genaugenommen pazifikblau und hat die Rahmennummer 91525, was auf eine Fertigung im Oktober 1962 hindeutet. Das mag im ersten Moment verwunderlich klingen, ging man doch bisher davon aus, dass VW die Cabrio-Pläne schon frühzeitig begraben hat. Aber schon bei genauerer Betrachtung der Historie des im VW-Museum ausgestellten Typ-3-Cabrios (Rahmennummer 76060), hatte sich herausgestellt, dass die Konstrukteure in Osnabrück und Wolfsburg noch lange an den offenherzigen Versionen der Baureihe 3 experimentierten. Zwölf Typ-3-Cabrios weist die einschlägige Literatur aus, sogar 1963 wurden noch drei Stück gebaut. Ähnlich ist es wohl auch bei den Typ 34 zugegangen. Interessant ist, dass von den vermeintlich selteneren Karmännern sieben bekannt sind, vom Typ 3 aber nur zwei (gerüchteweise drei). Nach Aussage von ehemaligen Karmann-Mitarbeitern, haben die Osnabrücker acht oder neun 34er Cabrios in Handarbeit gebaut. Das würde eine gute Überlebensquote für die kantigen Gesellen bedeuten. Was den Typ 3 betrifft, kann man sich nur an das Prinzip Hoffnung klammern: Vielleicht taucht ja doch noch mal eins auf, doch halten wir uns an die Fakten und kehren zurück zu Lars Neuffers Neuerwerbung.

Was auf den Fotos noch so unschuldig vor sich hinglänzt, ist nach seiner Aussage ein Haufen Arbeit auf vier Rädern. Das erst 1964 zugelassene pazifikblaue Cabrio hat bis heute sein originales Verdeck, allerdings ist irgendwann eine Persenning in Wagenfarbe hinzugekommen. Die Schweller sind nicht mehr original, die Gußhörnchen wichen solchen aus Stahl vom späteren Modell. Die anfällige Klaviertastaur (Schalter für Licht und Wischer) hat ein Vorbesitzer gegen die später verwendeten Drehschalter ausgetauscht. Auch den Teppich hat man irgendwann ersetzt. Beim Kauf war ein Petri-Lenkrad montiert. Die Geschichte des Wagens ist durch den Originalbrief belegt. Demnach war das Cabrio bis 1969 in Werksbesitz. Danach fuhr ihn ein Ingenieur namens Matthias Rath in Osnabrück (vielleicht ein Karmann-Mitarbeiter). 1975 verkaufte der das seltene Stück an den Kfz-Meister Walter Wolf in Rheine. Wolf behielt den Beau nur zwei Monate. Wahrscheinlich hat er ihn günstig angekauft, durchrepariert und weiterverkauft. Die neue Besitzerin hieß Cornelia Watermann, ebenfalls aus Rheine. Sie legte den Karmann 1976 still. Danach hören die Briefeintragungen auf, die Spur verläuft im Sande – bis 1997. Nun steht das gute Stück also in Göttingen und harrt seiner Wiederentstehung als automobiler Zeuge einer großartigen und formschönen Idee. Überflüssig zu sagen, dass Lars ihn so original wie möglich herrichtet.

Georg Otto/Thorsten Elbrigmann