Kaufberatung aus „Markt für klassische Automobile und Motorräder“

Die Stärken und Schwächen des Pontons aus Wolfsburg


Lange Jahre war der Käfer einziger Volkswagen-Kämpfer auf dem Pkw-Markt. 1961 änderte sieh das. Die Wolfsburger schickten einen zweiten Boxer zur Ergänzung ihres in die Jahre gekommenen Erfolgsmodells in den Ring: Den werksintern Typ 3 genannten VW 1500/1600, der im Mittelgewicht antrat. MARKT zeigt, wo seine schwachen Punkte liegen.

1961 läutete Wolfsburg eine neue Ära ein. Der Typ 3 beendete die automobile Monokultur, von deren Erträgen die Volkswagen AG gelebt hatte. Der neue Mittelklässler sollte vor allem eines verhindern: dass käfererprobte Aufsteiger zur Konkurrenz in Köln oder Rüsselsheim abwanderten. Allerdings stand schon vor der Präsentation auf der Frankfurter IAA 1961 fest, dass der VW 1500 aus technischer Sicht nichts Aufsehenerregendes oder gar Revolutionäres bieten würde. Der "Antikäfer" distanzierte sich äußerlich zwar klar vom "Kugelporsche" genannten Typ 1 (Typ 2 war der Transporter), doch unterm Blech zeigten sich die verwandtschaftlichen Beziehungen um so deutlicher: Auch den Typ 3 trieb ein im Heck installierter luftgekühlter Boxermotor, und wie beim Käfer bildete der bekannte Plattformrahmen mit Zentralrohr das Kernstück des Chassis. Etwas länger als der Käfer war er und etwas breiter auch. Außerdem war der hintere Kofferraum außen erreichbar. Gesamteindruck: Käfer im Pontondesign.

Drei Versionen des VW 1500 wurden angekündigt - die Limousine für 6400,-, der "Variant" getaufte Kombi für 6700,- Mark sowie ein viersitziges Vollcabrio, das für 8200,- Mark in den Prospekten angeboten, wegen hartnäckiger Stabilitätsprobleme aber nie in Serie gebaut wurde. Karmann in Osnabrück brachte später ein auf dem Typ 3 basierendes Cabrio in geringer Stückzahl auf den Mark 1.

Als Antriebsquelle diente zunächst ohne Ausnahme ein 1,5-Liter-Vierzylinder-Boxermotor mit 45 PS, einer Leistungsausbeute, die Konkurrenten wie den Opel Rekord (50 PS) und den Ford 17 M (55 PS) nicht eben schockte. Eine bemerkenswerte Ingenieurleistung war dagegen der kompakte Motor, der dank des verlegten Kühlgebläses - es war nun direkt auf der Kurbelwelle platziert - und des abgeflachten Ansaugtraktes nur wenig Raum beanspruchte. Als der Wunsch nach mehr Leistung 1963 in Wolfsburg erhört wurde, erschien kurz darauf der 1500 S mit geänderten Kolben und Ansaugstutzen sowie einer Doppelvergaseranlage. Zusammen mit der von 7,5 auf 8,5: 1 erhöhten Verdichtung ergaben diese Modifikationen eine Leistung von 54 PS -laut Werksangabe genug für ein Spitzentempo von 135 km/h. Auch optisch wurde das schlichte Brot-und-Butter-Auto aufgewertet; allerdings machten seitliche Zierleisten, Radzierringe und verchromte Rückstrahler aus dem Biedermann noch lange keinen Brandstifter. Publicity, wenn auch unerfreuliche, verschafften ihm berechtigte Vorwürfe, die auf die mangelnde Standfestigkeit und Lebensdauer dieser Motoren zielten. Linderung verschaffte den Zweivergasermotoren die Hubraumvergrößerung auf 1584 Kubikzentimeter. Die damit einhergehende Senkung sowohl des Verdichtungsverhältnisses von 8,5 auf 7,7: I als auch der Höchstleistungsdrehzahl von 4200 auf 4000 V/min bekamen dem stärkeren Typ-3-Motor ausgezeichnet. Nebenbei begnügte er sich fortan mit Normalbenzin. Die ab Baujahr 1966 installierte 12-Volt-Elektrik trug unter anderem dazu bei, dass der 16ooer-Boxer williger seinen Dienst antrat. Eine weitere sinnvolle Änderung folgte im August 1969: Um folgenschwere Hitzewallungen zu unterbinden, vergrößerten die VW-Ingenieure bei allen Typ-3-Motoren den Querschnitt der Ölkanäle. Mit geringfügigen Retuschen wurde der große Bruder des Käfers bis 1973 weitergebaut und verkauft - insgesamt 2.584.905 mal.



Die Karosserie

Von Hause aus verfügt der Typ 3 über ein durchaus strapazierfähiges Blechkleid. Über eines sollte man sich jedoch im klaren sein: Vertreter dieser VW-Modellreihe zählten nie zum illustren Kreis der prestigeträchtigen und deshalb gut gepflegten Vorzeigekarossen , sondern eher zur Gattung der automobilen Arbeitstiere. Deshalb ist größte Aufmerksamkeit geboten, wenn es sich bei dem zwecks Kauf angepeilten Fahrzeug nicht um ein ausgewiesenes Liebhaberstück handelt. Denn selbst bei einem noch so robusten Auto beißt sich der Zahn der Zeit durchs Blech, wenn es nicht pfleglich behandelt wurde. Zu den gefährdeten Zonen des VW 1500/1600 zählen die Lampentöpfe, hinter deren Zierringen der Rost in Zusammenarbeit mit Schmutz und Feuchtigkeit oft ganze Arbeit geleistet hat.

Nicht viel besser sieht es unter so manchem vorderem Typ-3-Kotflügel aus. Das gilt vor allem für die ab 1967 gebauten Modelle, die zur Karosserieversteifung ein kastenförmiges Verstärkungsblech im Radkasten tragen. Durch zwei Öffnungen sollte eingedrungenes Wasser abfließen können, doch die Konstruktion bewirkte in der Regel genau das Gegenteil - aufgewirbelter Schmutz und Spritzwasser dringen ziemlich ungehindert ein. Das Resultat: Sowohl die Kästen selbst als auch die Seitenbleche zum vorderen Kofferraum rosten durch. Zu den Schwachpunkten im vorderen Wagen bereich zählt auch die vor dem Kofferraum eingelassene Ersatzradwanne. Die geringe Materialstärke und die exponierte Lage im Fahrzeugbug führen dazu, dass der Wannenboden zu Auflösungserscheinungen neigt.

Rostanfällig sind auch die Stehbleche im vorderen Kofferraum sowie die Türanschläge an der A-Säule und die äußeren Türschweller . Weit schlimmer als Rostfraß an den - relativ leicht austauschbaren Außenschwellern sind angenagte Innenholme, in denen die Heizrohre verlegt sind. Denn der Rost, der meist im verborgenen blüht, greift besonders im vorderen Bereich tragende Teile an. Rostgefährdet sind außerdem: Die Seitenteile hinter den Türen, das Bodenblech im Bereich der Wagenheberaufnahme und die umlaufende Bodenblechsicke, mit der die Karosserie verschraubt ist. Dass die Blechhülle mit der Bodengruppe verschraubt und nicht verschweißt wurde, ist an sich erfreulich, Einzelteile lassen sich so leichter auswechseln. In vielen Fällen ist dies jedoch nur ein scheinbarer Vorteil. Denn oft sind die Schrauben aufgrund von Rostbildung fest mit den innen liegenden Muttern verbacken. was zur Folge hat, dass sich besagte Muttern bei Gewaltanwendung von ihren Schweißpunkten lösen und mitdrehen. Bei Typ-3-Modellen neueren Baujahrs – hier ist der Tankeinfüllstutzen vom vorderen Kofferraum nach außen in den rechten Kotflügel verlegt - bildet sich häufig Rost am Ansatz der Entlüftungsleitung. Korrosionsbedingte Verfallserscheinungen weisen häufig die beiden waagerechten Bleche auf, die rechts und links vom Motor angeschraubt sind.

Prüfen sollte man auch den Zustand der Dichtungen an Fenstern. Türen und an den beiden Kofferraumdeckeln. Altersschwacher und poröser Gummi erleichtert das Eindringen von Wasser, was die Rostbildung erfahrungsgemäß beschleunigt. Zu den leidgeprüften Opfern zählen in solchen Fällen meist die Türen. die unten durchrosten.



Die Mechanik

Sieht man von dem vorab erwähnten, in Sachen Standfestigkeit etwas überforderten l500er-Motor mit 54 PS einmal ab, gelten die luftgekühlten Boxermotoren der Typ-3-Baureihe zu Recht als robust und zuverlässig. Sie weisen gegenüber den Käfertriebwerken einige Verbesserungen auf, die ihnen den guten Ruf eintrugen. Dazu zählt das nach unten, direkt auf die Kurbelwelle verlegte Lüfterrad des Kühlgebläses. Dass ein Typ-3-Motor nur wegen eines defekten Keilriemens verendet, ist damit ausgeschlossen. Von Überhitzungsproblemen generell verschont bleibt der Motor deshalb trotzdem nicht. Die Ursache: Dreck, der sich in den eng stehenden Kühlrippen der Zylinder festsetzten kann. Ein stark verölter Motor deutet auf eine andere VW-typische Schwachstelle hin: die Stößelstangenschutzrohre. Aufgrund ihrer Nähe zu den jeweiligen Zylindern sind diese Bauteile extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt, das Material "arbeitet". Die Folge: Sowohl am Zylinderkopf als auch am Motorgehäuse erledigen die Dichtungen ihre Aufgabe nicht mehr zuverlässig, Öl tritt aus. Bei Vergasermodellen mit Startautomatik gibt die temperaturgesteuerte Bimetallfeder häufig den Geist auf. Ursache der Arbeitsverweigerung kann aber auch eine defekte Heizspirale sein. Das Resultat ist in beiden Fällen dasselbe: Das Gasgemisch bleibt auch nach Erreichen der Betriebstemperatur fett, der Spritkonsum steigt enorm. Verbräuche zwischen 18 und 20 Liter pro 100 Kilometer - normal sind 10 bis 12 Liter - deuten auf einen derartigen Schaden hin. Auch die Vorderachse des VW 1500/1600 sollte man genau unter die Lupe nehmen. Häufig auftretende Rostlöcher im Achskörper sind schwer auszumachen, da sie oft unter Dichtungsgummis oder einer Schmutzkruste versteckt liegen. Empfindlich reagieren auch Kugelgelenke und Spurstangenköpfe, wenn sie nicht regelmäßig gewartet wurden. Folge: Geradeauslauf und Kurvenverhalten werden beeinträchtigt. Anfällig sind auch die seitlichen Träger der Vorderachse, auf denen - wie an der Hinterachse - progressiv arbeitende Gummielemente zur Begrenzung des Federwegs sitzen. Bei manchen Fahrzeugen erwiesen sich diese Gummipuffer als die eigentlich tragenden Elemente - das darunter liegende Metall rostet durch. Die Hinterachse zeigt dagegen keine auffälligen Schwächen; altersbedingte Verschleißerscheinungen, die Folgen mangelhafter Wartung oder durch Unfallschäden ausgelöste Defekte können natürlich auch hier auftreten. Ursache für die Bildung tiefer Sorgenfalten ist häufig die Auspuffanlage des Boxermotors, Käferfahrer können ein Lied davon singen. Reparaturbemühungen sind in der Regel mit großem Aufwand verbunden, weil die Schrauben und Sitze meistens festgerostet sind. Neue Probleme stellen sich ein, wenn man den alten Auspuff nicht gegen eine Originalanlage austauscht: meistens sind die - billigeren - Nachrüstsätze aus dem Zubehörhandel nach zwei Jahren "fällig". Vergleichbare Schwierigkeiten treten bei den ebenfalls rostgefährdeten Heizbirnen auf. Bevor man mit den notwendigen Routinechecks - vor allem hinsichtlich der Bremsleitungen und Druckschläuche - beginnt, ist ein kritischer Blick auf die Schienen der Sitzverstellung ratsam. Bei älteren Modellen bis 1970 brechen sie gelegentlich.

Fazit: Der Typ 3 eignet sich ohne weiteres als Einstiegsobjekt in die Oldieszene. Er ist immer noch günstig zu haben und zählt - dank enger Anlehnung an den Käfer - in technischer Hinsicht eher zu den pflegeleichten Oldies.

Andre Kau/Christoph Reifenrath

Entnommen aus der Zeitschrift „Markt für klassische Automobile und Motorräder“, Heft 3, März 1991