Die Serienfertigung von 1961 bis 1973
Die Geschichte des VW 1500/1600 Typ 3:
Zu seinen Bestzeiten war der VW 1500/1600 eigentlich nicht sonderlich beliebt, eher eine Verlegenheitslösung. Er war in den Augen seiner Kritiker mehr eine biedere Fahrmaschine ohne jede Raffinesse, die kaum eine besondere Fahrfreude aufkommen ließ.
Um die Gemüter zu bewegen, fehlte ihm eigentlich so ziemlich alles: Seine Form war überholt und seine Technik veraltet.
Heute allerdings könnte der VW 1500/1600 (im Werksjargon: Typ 3) zum Liebhaberfahrzeug avancieren. Gut erhaltene Exemplare findet man selten, denn die meisten der noch im Einsatz befindlichen Typ 3 sind abgewirtschaftete Variant-Modelle, die von nüchternen Zeitgenossen vollends aufgebraucht werden.
Einmalig bei einem so großen Automobilhersteller wie Volkswagen war, dass sich das gesamte Programm auf einen einzigen Fahrzeugtyp stützte. Als die Nachteile des Käfers nicht mehr zu übersehen waren und immer mehr Interessenten zur Konkurrenz abzuwandern drohten, versuchten es die Wolfsburger mit einem Käfer-Derivat: Bei gleichem Radstand, fast gleicher Spurweite, etwas mehr Länge und Breite sollte das neue Auto ,Aufsteiger'-Kunden bei der Firma halten.
Der VW 1500/1600 wurde dann von Ende 1961 bis zur Produktionseinstellung im Juli 1973 in 2.583.015 Exemplaren gebaut, wobei etwa die Hälfte (1.202.483) auf den praktischeren Variant entfiel. Vorgestellt wurde der erste VW mit Pontonkarosserie im Herbst 1961 als ,VW 1500' in den Ausführungen Limousine, Variant (= Kombi-Limousine) und Cabriolet. Das Cabrio wurde dann allerdings (und leider!) nicht produziert, weil die notwendigen Versteifungsmaßnahmen zu teuer gekommen wären.
Der Preis für die Limousine betrug DM 6400.-, für den Variant DM 6700,-. Das Cabrio stand mit DM 8200,- in der Preisliste. Im Vergleich zur Limousine war das gleichzeitig vorgestellte 1500er Karmann-Ghia-Coupe mit DM 8750,- erheblich teurer, das entsprechende Cabrio hätte sogar DM 9500,- kosten sollen.
Die Formgebung des ,Neuen' geriet allerdings ziemlich hausbacken und keineswegs aufregend. Den VW-Managern war es wichtiger, Zweck und Form so aufeinander abzustimmen, dass in erster Linie die Schwächen des ,alten' Modells gelindert wurden: Mehr Platz im Innenraum, glattflächigere und leichter auswechselbare Karosserieteile und eine unauffällig bessere Optik waren das Ergebnis. Die Technik war orientiert am Käfer-Konzept, also: luftgekühlter Heckmotor (Boxer) mit 1,5 Litern Hubraum und 45 PS. Das Fahrwerk: Zentralrohrrahmen, durchgehende Bodenplattform, Einzelrad-Aufhängung, Drehstab-Federung, Pendelachse hinten, hydraulische Teleskop-Stoßdämpfer, Schneckenrollen-Lenkung und Trommelbremsen.
Der neue, größere VW überzeugte von Anfang an nicht so ganz, denn die Grenzen der Käfer-Technik zeigten sich schon allzu deutlich. Die Leistung war auch für damalige Verhältnisse gering, was ein Vergleich mit den Konkurrenten zeigt. Das Kofferraum-Volumen des VW 1500/1600 war infolge der Heckmotor-Bauweise ungünstig verteilt. Zwar gab es zwei Kofferräume - vorne über Vorderachse und Benzintank, hinten über dem Flachmotor - aber beide waren niedrig und boten nur flachem Gepäck Platz.
Wenngleich gegenüber dem Käfer einige Verbesserungen vorgenommen wurden: Das Kühlgebläse wanderte nach unten, auch die raffiniert flach gestaltete Ansauganlage schuf Platz. Ergebnis: ein von außen zugänglicher hinterer Gepäckraum von etwa 200 Litern. Dazu kamen dann die rund 180 Liter des Bugraumes.
Zusammengerechnet war man der Konkurrenz fast ebenbürtig... Beim Radstand legte man sich wegen der Werkstattausrüstungen auf Käfer-Normen fest, was aber zwangsläufig einen engen Innenraum, vor allem im Fond, zur Folge hatte.
Räumlich waren vergleichbare Fahrzeuge der 1,5-Liter-Klasse hier entschieden überlegen. Wie gesagt: Die Linienführung des Wagens war sehr konventionell. Am Heck konnte man eine formale Ähnlichkeit mit dem kleinen Karmann 1200, dort allerdings mit mehr Schmiss, ausmachen. Die hohe Gürtellinie und die kleinen Seitenfenster taten ein Übriges: Nach diesem Auto drehte sich niemand um!
Gut gelungen war allerdings die Gestaltung des Innenraums: Das nach unten abgeschrägte, glattflächige Armaturenbrett mit mattschwarzer Polsterung geriet formal sehr gut, die Instrumente waren vernünftig angeordnet - kein Musikbox-Charakter, wie damals so häufig. Lob ernteten die weitestgehend spiegelfreie Anordnung der Armaturen - rundes Tachometer, rechts davon die serienmäßige Uhr, links das Kombi-Instrument für Tankinhalt und Kontrolllampen - und der ,handgerechte Griff' der Handbremse. Insgesamt alles sehr geschmackvoll, trotz Retuschen auch in den folgenden Jahren. Dies, die gute Sitzposition und die Knüppelschaltung ergaben - trotz geringer Leistung - doch etwas sportlichen Charakter.
Als Extra gab es zunächst lediglich ein Stahlschiebedach, später kamen noch Weißwandreifen und Zweifarben-Lackierung hinzu.
Auf den Wunsch nach mehr Leistung reagierte das Werk im Herbst 1963 mit der Vorstellung des „VW 1500 S“. Die wesentlichen Motoränderungen betrafen Kolben mit nach oben ausgebauchtem Boden, Modifizierung der Ansaugstutzen, einen neuen Zündverteiler und eine Doppelvergaser-Anlage. Die Verdichtung wurde auf 8,5 : 1, die Leistung auf 54 PS erhöht. Die Höchstgeschwindigkeit lag nach Werksangabe nunmehr bei 135 km/h (vorher 125 km/h). Tatsächlich fuhr der 1500 S aber über 140, bei allerdings erhöhter Drehzahl (nach Werksangabe: 4200 V/min).
Eine gestrecktere Linienführung und forscheres Aussehen erhielt der 1500 S durch seitliche Zierleisten, längere Heckleuchten, verchromte Rückstrahler, Radzierringe, breite vordere Blinkleuchten, Zierleiste auf vorderem Kofferraumdeckel und eine verchromte Kennzeichenleuchte mit stilisiertem ,S'. Erfreulich für VW-Freunde: Der Tacho ging jetzt bis 160 km/h Der VW 1500 S war ein schnelles Auto – jedenfalls für VW-Begriffe. Seine Sportlichkeit bewies er durch die erfolgreiche Teilnahme an verschiedenen Rallyes. Allerdings gab es unendliche Probleme mit der Standfestigkeit und Lebensdauer des Motors, was dem VW-Werk einen langen Prozess mit einer Stuttgarter Warentest-Zeitschrift einbrachte, die erstmals Autos in vergleichenden Dauertests prüfte.
Die leistungsschwächere Variante mit 45 PS gab es weiterhin im VW 1500 N, einer abgemagerten Version (einfache Sitze und Seitenverkleidungen, weniger Chrom, keine Zeituhr , Parkleuchten, Stoßstangenhörner, etc.), die für DM 5990,- (Modell 1500 S: DM 6400,-) zu bekommen war. Eine großangelegte Werbeaktionen wurde von VW gestartet, mit dem Slogan: "Der einzige 1,5-liter-Wagen der Welt unter 6000 DM."
Der VW 1500 S blieb zwei Jahre im Programm und wurde im August 1965 vom VW 1600 TL mit Fließheck abgelöst, womit das Werk zugleich zwei Fehler eingestand: Nämlich dass der VW 1500 in der bisherigen Ausführung mit Stufenheck einfach zu wenig Kofferraum hatte und dass der 1500er Motor mit 54 PS überfordert war.
Daher wurde der Hubraum um 100 ccm vergrößert, was außerdem wieder die Verwendung von Normalbenzin ermöglichte. Tatsächlich galt der 1600er als zuverlässiger, aber auch phlegmatischer als sein Vorgänger, aber er war der erste VW mit Scheibenbremsen (Werbeslogan: „Schnelle Wagen brauchen schnelle Bremsen").
Das Fließheck wurde ein großer Reinfall. Der Zugewinn an Kofferraum in der Höhe war minimal, die Seitenwindempfindlichkeit dafür beträchtlich größer. Stilistisch hätte es nicht schlimmer kommen können. Die Heckscheibe war außerdem viel zu hoch angesetzt, so dass Einparken zum Problem wurde (im Volksmund: TL = Traurige Lösung).
Deshalb wurde die Stufenheck-Limousine, die zunächst nur als Sparmodell 1500 A (vorher 1500 N) verblieben war, 1967 auch wieder in gehobener Version geliefert.
Fortan gab es drei VW-1600-Modelle: Stufenheck, Fließheck, Variant mit zwei Motorversionen (1500 mit 45 PS und 1600 mit 54 PS), und ab 1969 standen drei Ausstattungsvarianten zur Auswahl: A-Ausführung (= Sparmodell), Normalausführung und L-Version.
Dazu war nun die Erfüllung zahlreicher Sonderwünsche möglich. Diese Produktionsauffächerung blieb bis 1973 bestehen.
Weitere Verbesserungen folgten: Ende 1966 bekam der Wagen eine Ausgleichsfeder an der Hinterachse, um die bislang problematische Straßenlage zu verbessern. Schon ein Jahr vorher hatte man die ,nackten' A-Modelle mit einer gefälligeren Chromausstattung versehen.
Im Herbst 1967 wurde einiges für die Sicherheit getan: Der 1600 bekam eine 12-Volt-Anlage. Sicherheitslenksäule. Zweikreisbremse, Vorrichtungen für Dreipunktgurte, Sicherheitstürgriffe; die Tanköffnung wanderte nach außen und die Scheibenwischer wurden vergrößert.
Der VW 1600 war nun mit Automatik zu haben und besaß künftig eine Schräglenker-Achse (Aufpreis: DM 800,-). Ab August 1968 brachte die Schräglenker-Hinterachse auch in Fahrzeugen mit Schaltgetriebe eine wirklich optimale Straßenlage, und die Elektronik hielt Einzug.
Die elektronisch gesteuerte Kraftstoff-Einspritzung war zwar hochmodern und brachte bessere Motorelastizität, aber keine Mehrleistung und keinen geringeren Verbrauch. Und sie war mit DM 585,- Aufpreis auch sehr teuer.
Mit neuer Front ging der 1600er ins Modelljahr 1970. Die Verlängerung des Wagenbugs ergab eine bessere Linienführung, einen größeren vorderen Kofferraum - den das Auto bitter nötig hatte - und eine längere Knautschzone.
Außerdem wurden dem Wagen breitere vordere Blinkleuchten, größere Heckleuchten und Stoßstangen mit Kastenprofil (wie beim Käfer 1300/1500) spendiert. Insgesamt hatte der VW gewonnen: Er sah jetzt tatsächlich moderner und gefälliger aus.
Ab August 1970 folgten wieder zahllose Detailverbesserungen an Motor, Getriebe und Ausstattung, wie die bessere Be- und Entlüftung (ab Modell 1971). Auffallendste Merkmale des Jahrgangs 1972 waren das Sicherheitslenkrad mit Prallelement, die neuen Instrumente und die Wisch-/Waschbetätigung durch einen Hebel am Lenkrad.
Im letzten Produktionsjahr bekam der 1600 schließlich u. a. verbesserte Sitze in Schalenform mit stärkeren Verankerungen (,Dreibein').
Die Verbesserungen am Typ 3 zeigen, dass es primär darum ging, die durch die Käfer-Konzeption bedingten Nachteile zu beseitigen oder doch wenigstens auf ein Minimum zu reduzieren.
Der VW 1500/1600 war das typische Aufsteigerauto für Käfer-Fahrer: Allein sie empfanden den Einstieg in den Typ 3 als Fortschritt und waren bereit, sich mit den konstruktionsbedingten Nachteilen abzufinden. Andererseits überzeugte der Mittelklasse-VW gerade in den letzten Produktionsjahren durch Robustheit und Zuverlässigkeit.
Zeitlebens war das Variant-Modell das beliebteste; nur hier befriedigten Kofferraumvolumen und Linienführung. Wenig bekannt ist, dass es dieses auch als Lieferwagen gab, der anstelle der hinteren Seitenscheiben Blechblenden hatte. Wahlweise gab es das Modell dann mit oder ohne hintere Sitzbank. Von dieser Version blieben allerdings nur lächerlich wenige in der Bundesrepublik: 494 Stück, und dies bei einer Gesamtproduktion von über 40.000!
Gute Limousinen, vor allem in der alten Ausführung bis 1969, sind heute rar. Mitunter findet man aber noch ein gepflegtes Einzelexemplar, das billig zu haben ist. Wenn man kann, sollte man zugreifen, denn der Typ 3 ist in seinem ganzen Habitus ein Vertreter der Veteranen.
Man sollte vor dem Kauf auf folgende Schwächen achten: Rost nistet sich an den Türschwellern und an den vorderen Kotflügeln ein. Und die Kugelgelenke der Vorderachse sind häufig ausgeschlagen.
Im allgemeinen aber ist das Auto robust.
Als Sammlerstücke kommen heute eher Stufen- oder Fließheckmodelle in Betracht, denn sie sind seltener.
Schließlich hatte der VW 1500/1600 etwas, woran es seinem Nachfolger, dem Passat, völlig mangelt: Er war immerhin ein unverwechselbares Auto.
Hans-Georg Mayer Entnommen aus der Zeitschrift „Markt für klassische Automobile und Motorräder“, Heft 12, Dezember 1988