Typ 3 Cabrio

Schon Ende der fünfziger Jahre dachte man überall über die Nachfolge des VW Käfers nach und die abenteuerlichsten Vermutungen wurden publiziert. Das "Magazin der Technik" fragte schon 1959: "Muss der VW so sein?", und prompt ergoss sich eine Flut von Leserzeichnungen in die Stuttgarter Redaktion, die alle eine Antwort auf die Skizzen des Graphikers Carlo Demand sein wollten. Der Käfer, Inbegriff des Wirtschaftswunders, bewegte die Gemüter der Autofahrer wie selten ein anderes Fahrzeug, nur wurde immer nur über eine Nachfolge, nie aber einen "größeren Bruder" des erfolgreichen Krabbeltiers nachgedacht. Mit einem Überraschungscoup stellte Volkswagen nach erfolgreicher Geheimhaltung im Jahre 1961 den VW 1500 vor, der aber keinesfalls Nachfolger des Millionenerfolgs Typ 1, sondern Aufsteigermodell sein sollte; Als Typ 31 erschien der "große VW" zunächst mit Stufenheck und zwei Türen, und ab Februar 1962 gab es auch den 2-türigen Kombi, genannt Variant - für VW ein absolutes Novum.


Entgegen allen Mutmaßungen wich das Werk in Wolfsburg nicht von seinem althergebrachten Antriebskonzept ab, hinter der Hinterachse werkte noch immer die Grundkonstruktion von VW-Vater Porsche, und auch die Luftkühlung wurde beibehalten. Nordhoffs Mannen hatten allerdings gründliche Modifikationen vorgenommen und es sogar geschafft, über dem als "Flachmotor" apostrophierten Triebwerk einen zweiten Kofferraum unterzubringen. Für 6400.DM erhielt der Käufer ein grundsolides Automobil mit wahrhaft reichhaltiger Ausstattung und gegenüber dem Käfer beachtlich erweitertem Raumangebot. Der 4-Zylinder Boxer leistete aus 1493 ccm 45 PS bei 3800 V/min, war mit 1 : 7,5 zivil verdichtet und mit einem Hub von nur 69 mm gegenüber 83 mm Bohrung ein auf hohe Laufleistung ausgelegtes Triebwerk.

Für die 40. IAA in Frankfurt hatte das Werk aber noch zwei Trümpfe in der Tasche, die dem Publikum als Inbegriff erreichbaren Luxus' erschienen: Die "Cabriolet-Version" des 1500 und die offene Abwandlung des großen Karmann Ghia, Typ 34. Beide Fahrzeuge waren bei der Wilhelm Karmann GmbH in Osnabrück entstanden und sollten mithelfen, den Publikumsgeschmack und das Käuferinteresse für die Creme der Volkswagen-Produktion herauszufinden. Dazu hatten die Konstrukteure bei Karmann tief in die Trickkiste gegriffen und dem Zentralrohr-Plattformrahmen zunächst ansehnliche Versteifungen verpasst. Namentlich die Türeinstiege hatten nun tragende Funktion und wurden deutlich höher und steifer als beim Serienpendant ausgebildet.

Besonders stolz war man in Osnabrück auf das Patent eines Mitarbeiters, das es ermöglichte, erstmals eine große gläserne Heckscheibe in ein faltbares Verdeck zu integrieren und diese auch beim Öffnen ganz mitzuversenken. Die Vorstellungen der Verdeckkonstrukteure waren aber wohl realistischer als die der Verkaufsabteilung bei Volkswagen, denn im Prospekt erschien das Fahrzeug sogar mit gewölbter Panorama-Heckscheibe, die nie so gebaut wurde. In Wolfsburg hatte man offensichtlich die Retuscheure bemüht, ohne vorher sicher zu sein, ob das Auto überhaupt so herstellbar sein würde.

Schon bei Drucklegung des Verkaufsprospektes, eines auch in Englisch aufgelegten Faltblattes, zogen allerdings dunkle Wolken über dem Cabriolet-Projekt auf. Das Publikum hatte den Typ 31 zwar interessiert, aber nicht begeistert aufgenommen, die Presse sich mit der problematischen Hinterachskonstruktion beschäftigt und allgemein wurde die Form als zu "nordisch kühl" und bieder kritisiert. Der Nachfolgetyp 1500 S zeigte denn auch später deutliche Karosserie-Retuschen, allein der große Griff am vorderen Haubendeckel und die breiten Blinker waren schon eher dazu angetan, dem Typ 3 das so gefragte "Gesicht" zu geben; Aus heutiger Sicht muss man den Formgestaltern bei VW aber ein hohes Lob für die zeitlose Schlichtheit der Grundform zollen.

Jedenfalls war der Traum vom offenen Familienauto schnell ausgeträumt: Der Vorstand entschied sich gegen den Bau des Cabriolets, und nur Mutmaßungen können die Gründe dafür erhellen. Zum Einen, so hieß es, habe sich kein klares Ja zum Cabriolet beim Publikum finden lassen, ein Publikum dem Sicherheit zwar noch nicht Knautschzone bedeutete, dem aber die Angst vor einem Überschlag oder nur einem aufgeschnittenen Verdeck und der entwendeten Habe im Nacken saß. Zum Anderen war ein Ende des Cabriolet-Zeitalters besonders auf dem amerikanischen Markt in erreichbare Nähe gerückt - und ein Volkswagen sollte ein Wagen für das Volk bleiben.

Letztendlich haben aber auch erhebliche konstruktive Bedenken eine Rolle gespielt, die Voraussicht der Techniker erscheint aus heutiger Sicht all jenen verständlich, die als Eigentümer eines VW Typ 3 den kritischen Blick der TÜV-Beamten unter die Türschweller kennenlernen durften: Die Einstiegsbleche neigten zu erheblichem Rostbefall. Nur ändern konnte man wohl nichts mehr... Die Angaben über die entstandenen Stückzahlen des VW 1500 Cabriolet weichen stark voneinander ab, sicher ist, dass mindestens 12 plus 2 Exemplare in Osnabrück gefertigt wurden.

Andere Quellen meinen, dass 15 Stück für Wolfsburg gebaut wurden und weitere 5 Autos in Osnabrück für Fahrversuche verblieben. Gemeinsam war allen, dass nur drei Farben der damaligen VW-Palette zum Einsatz kamen: mittelblau, rot und pastellweiß. Das Verdeck war in solider Karmann-Qualität aus schwarzem Stoff gefertigt und hatte eine in jeder Hinsicht makellose Passform. Der Himmel innen war gepolstert und aus weißem Kunststoffmaterial gemacht und alle Seitenscheiben ließen sich voll versenken. Das Öffnen und Schließen des Stoffdaches war einfach wie bei jedem Käfer-Cabriolet: Am Spriegel waren zwei Schnappverschlüsse zu lösen, dann wurde das Dach angehoben und in einem Zug nach hinten geklappt. Ein sinnreiches Verdeckgestänge sorgte dafür, dass sich die Heckscheibe beim Eintauchen in die Verdeckkammer umlegte und das übrige Verdeck Platz hatte. Dazu lieferte das Werk eine zur Wagenfarbe passende Persenning.

Alle übrigen Dinge blieben wie beim Serienmodell: Das Armaturenbrett behielt die schwarze Kunststoffauflage mit den drei Hutzen über Kombianzeige Tank/Kontrolllampen, Tachometer und Zeituhr und der aus Blech geprägte Instrumententräger hatte links die Drucktasten für Licht und Wischer und rechts unter dem Haltegriff für den Beifahrer das Handschuhfach. Das von uns gefahrene Exemplar des VW 1500 Cabriolet trägt die charakteristische Fahrgestellnummer 007 6060 und ist im Besitz des VW-Werksmuseums in Wolfsburg. Neben diesem dunkelroten gibt es ein zweites Fahrzeug in der Wilhelm Karmann Fahrzeugsammlung in Osnabrück, weitere "überlebende" Cabriolets 1500 sind leider nicht bekannt.

Das Fahrzeug fährt sich wie alle VW 1500 steif und solide, und solange man den luftgekühlten Heckmotor nicht anstrengt, ist er kaum zu hören. Die Karosserie scheint steif und verwindungsfrei zu sein, besonders eindrucksvoll war das satte Einrasten der Türen bei geöffnetem Verdeck. Bei geschlossenem Dach zeigte das kurze Aufwölben des Stoffes beim Türschließen, dass das Fahrzeug vollkommen dicht und sogar waschstraßenfest konzipiert war. Alle Cabriolets der bei Karmann als Null-Serie bezeichneten Reihe wurden später an VW-Großhändler verkauft, ausgenommen die beiden bei VW und Karmann verbliebenen Exemplare, und gelangten von da in Kundenhand. Ein weißes Cabriolet hat sogar als Hochzeitsauto eine "Flitterreise" unternommen, ist aber später verunfallt und dann wohl verschrottet worden.

Das rote Auto aus dem VW-Museum hat noch keine 1000 km auf dem Tachometer und kann mit Fug und Recht als neu bezeichnet werden. Der Wagen hat als kleine Besonderheit noch sogenannte "Bordsteinfühler", kleine Antennen an der Unterkante der Vorderkotflügel, die bei Berührung des Randsteins ein laut kratzendes Geräusch an die Karosserie weitergeben – ein Lieblingsextra der damaligen Zeit. Ob die VW-Verantwortlichen bei der Einschätzung der Marktchancen für das VW 1500 Cabriolet die roten Zahlen so erfühlt haben, mag dahingestellt bleiben – heute wäre dieses Automobil jedenfalls so richtig "in". Das Golf-Cabriolet beweist die Marktchancen für den Nachfolger eines Käfer-Cabriolets, es beweist aber nicht, dass auch eine größere Familienlimousine Erfolg haben müsste - oder würden Sie ein Passat-Cabriolet bestellen?

Johannes Hübner Entnommen aus der Zeitschrift „Markt für klassische Automobile und Motorräder“, Heft 8 vom August 1983